Prolog
Die Arbeit, die in den Entwurf eines guten Gebäudes geht, ist nichts im Vergleich zu dem Mammutunterfangen, es dann auch gebaut zu kriegen. Bauen ist, als würde man versuchen, eine Menagerie wilder Tiere dazu zu bringen, einen riesigen Steinblock durch die Wüste zu ziehen. Wir hatten mehr als zwanzig Firmen auf unserer Baustelle; das ganze zu koordinieren war nicht immer einfach.
Viele der Firmen auf der Baustelle waren erste Sahne, und die Zusammenarbeit mit ihnen war ein Vergnügen. Allerdings verschlechterte sich unsere Beziehung zu anderen Firmen zusehends, als wir darum kämpften, das Gebäude unseren Vorstellungen entsprechend gebaut zu bekommen. Das Belastungen können bei der Arbeit schon schlimm sein, vor allem, wenn etwas schief läuft. Wie ein Schiff, das während eines Sturmes feststellt, es ist vom Kurs abgekommen ist und Gefahr läuft, gegen die Klippen geworfen zu werden, lauerten bei dem ganzen Projekt ständig Katastrophen. Während der vierzehnmonatigen Bauphase hatten wir mehrere solcher Krisen zu meistern, aber die extremste und immer noch andauernde Krise war der Kampf um die Fassade.
Die Fassade ansich ist ein technisches Meisterwerk, und sie so gebaut zu bekommen wie wir sie entworfen hatten, war eine Höchstleistung. Leider hat die Firma, die sie gebaut hatte, ein Wirrwarr jeder Menge unerwarteter Wendungen beschert, die jedem Krimi Ehre machen. Dieser Blog ist eine kurze Zusammenfassung der in diesem Zusammenhang entstandenen Hauptprobleme.
Auch jetzt noch, sechs Jahre nach Fertigstellung des Gebäudes, hängen uns die Nachwirkungen dieses Konflikts an. Während ich das hier schreibe, sind draußen vor meinem Fenster zwei Arbeiter, die zum wiederholten Mal versuchen, ein mysteriöses Leck zu finden, das uns schon seit Jahren plagt; und unsere Anwälte haben Strafanzeige erstattet hinsichtlich des Schlamassels, das die Firma, die unsere Fassade gebaut hat, hinterlassen hat.
Kapitel 1: Enthusiastischer Anfang
Es war schwierig, Firmen zu finden, die willens waren, so einen kleinen aber dennoch komplexen Auftrag wie den Bau unserer Fassade, durchzuführen. Wir hatten die Unterlagen an über zwei Dutzend Firmen in alle Ecken Deutschlands geschickt und am Ende erhielten wir drei Angebote, mit sehr hohen Preisschwankungen. Nach mehreren Treffen hatten wir einen Vertrag mit der Gebr. Gieseler GmbH ausgehandelt. Der Besitzer zeigte sich unserem Projekt gegenüber sehr enthusiastisch, und seine Firma schien uns auch am kompetentesten unter den drei Anbietern. Es handelte sich um eine große Firma, deren angegebener Jahresumsatz fast 60 Mal über dem Budget unserer Fassade lag. Außerdem hatten sie das günstigste Angebot unterbreitet. Wir fühlten uns glücklich und in guten Händen.
Die Beziehung fing professionell an, und sie demonstrierten Fachkompetenz, als wir die Details besprachen, wie genau die Fassade gebaut werden sollte. Es handelte sich um eine komplizierte Fassade mit diversen technischen Innovationen und Spezialanfertigungen, die entworfen waren, um dem Gebäude sein einzigartiges Aussehen zu geben. Sie können mehr über das Design der Südfassade , und der Westfassade in vorangegangenen Artikeln lesen.
Kapitel 2: Kostspielige Verzögerungen
Aufgrund der hohen Baukosten war eine Verzögerung in der Fertigstellung des Gebäudes sehr kostspielig. Unser Vertrag sah hohe Vertragsstrafen für durch die Bauträger verursachen Verzögerungen vor. Dummerweise erwies sich die Durchführung dieser Strafen als notorisch schwierig, auch wenn dies durchaus gebräuchlich ist.
Unser Baustelle war so klein, dass die Androhung unserer Strafen unerheblich im Vergleich zu größeren Projekten, an denen die Gebr. Gieseler gearbeitet hatten, waren. Wir haben uns auch immer wieder von ihren Entschuldigungen einlullen lassen.
Als sie endlich fertig waren, lagen Gebr. Gieseler sechs Monate im Verzug, für einen Job, dessen Fertigstellung sie uns innerhalb von zehn Wochen zugesagt hatten!
Auch wenn es zum Teil daran lag, dass die Gebr. Gieseler die Komplexität dieses Projektes unterschätzt hatte, kamen die meisten Verzögerungen durch einen giftigen Mix aus schlechter Kommunikation, Inkompetenz und Pech zustanden. Sie wälzten die Schuld auf die schwierige Beziehung mit dem Subunternehmer ab, den sie engagiert hatten, die Arbeiten am Bau vorzunehmen. Allerdings haben wir später, als die ganze Sache ins Rollen kam, erfahren, dass dies bei weitem nicht der einzige Grund für die Verzögerungen war.
Diebstahl!
Die Schwierigkeiten begannen erst richtig, als Materialien, die gerade für die Fassade angeliefert wurden, von Metalldieben gestohlen wurde, die angeblich die eigens angefertigten Aluminiumprofile als Schrott verkauften. In einer einzigen Nacht verloren wir sechs Wochen, die Zeit, die es dauern würde, die Teile erneut zu produzieren.
Kurz darauf bemerkten wir, das gerade eingebaute Fenster sich auf einer Etage nicht öffnen ließen, weil Gebr. Gieseler die Deckenhöhe falsch berechnet hatten. Das hat dann zu weiteren Verzögerungen geführt.
Salz wurde auch noch auf die Wunde gestreut, als ein Arbeiter kurz vor Weihnachten von der Leiter fiel. Glücklicherweise hat er den Sturz überlebt, hat aber 6 Wochen im Krankenhaus gelegen, um eine schlimme Kopfverletzung sowie 2 gebrochene Arme auszukurieren.
Unser Brief, der ihnen Vertragsstrafe androhte, hat die Arbeiten nicht gerade beschleunigt. Die Minilofts waren bereits für Ende Mai vermietet, wir mussten das Gebäude fertig kriegen!
Letztendlich haben wir unseren Anwalt beauftragt, mehr Druck zu machen. Plötzlich ging es wieder voran, aber wir hatten ja keine Ahnung in welcher Zwickmühle wir saßen. Das haben wir erst viel später herausgefunden.
Kapitel 3 – Lockvogeltaktik
Das größte Problem mit der Fassade kam von Gebr. Gieseler selbst, als sie ein anderes Produkt für den Sonnenschutz genommen hatten, als wir spezifiziert hatten.
Solcher Austausch ist gebräuchlich und oft sogar zum Vorteil für alle Beteiligten. Ihr Hauptargument war, dass das Glassystem von St. Gobain, Deutschlands größtem Glaswarenhersteller unterstützt wurde, und dies eine solide Garantie bedeutete. Uns gefiel auch die Ästhetik der neuen Blenden und ließen uns auf ihren Vorschlag ein.
Was sie uns zu diesem Zeitpunkt verschwiegen hatten, war, dass ihr Vorschlag weit billiger war, als das Produkt, für deren Einbau wir sie angeheuert hatten.
Dummerweise erwies sich ihr Argument, uns sie Sache schmackhaft zu machen, als inkorrekt. Mehr als 30% der Glaspaneele war defekt und St. Gobain hat sich geweigert, ihre Garantie anzuerkennen.
Kapitel 4: Zerbrochen
Als Gebr. Gieseler mit ihrer Arbeit fertig waren, hinterließen sie eine Fassade mit einer langen Listen von Defekten. Aufgrund dieser Defekte behielten wir einen großen Teil der Summe, den wir ihnen schuldeten, ein.
Die Defekte teilten sich in zwei Gruppen: defekte Sonnenblenden und kleine Defekte. Die kleinen Defekte waren unter anderem ein kleines Leck in unserem Büro, fehlende Türklinken, und defekte Motoren. Die meisten hiervon sind inzwischen repariert.
Die defekten Sonnenblenden sind keine Lappalie. Rund ein Drittel unserer Sonnenblenden hängen fest, entweder runter oder irgendwo dazwischen. Glücklicherweise beeinträchtigt das nicht den Raum. Die Fenster lassen sich alle noch öffnen und schließen und lassen Wind und Regen draußen, und die Wärme drinnen. Einige Blenden hängen irgendwie schief fest, wie eine Narbe auf einem schönen Gesicht.
Kapitel 5: Schiedsurteil
Am Ende einigten sich die Anwälte beider Parteien auf einen Kompromiss, der einen Preisnachlass für die ausgetauschten Fenster, sowie die Verzögerungen berücksichtigte. Die restliche, noch ausstehende Summe für die Fassade sollte auf ein Anderkonto des Anwalts der Gebr. Gieseler's, Michael Zorn, gezahlt werden. Diese Summe sollte den Gebr. Gieseler in zwei Schritten ausgezahlt werden. Herr Zorn sollte die erste Teilzahlung von 15.000 Euros sofort anweisen. Die restlichen 35.000 Euros sollten auf dem Anderkonto bleiben, bis alle Schäden beseitigt sind.
Anfangs waren wir mit der Lösung sehr zufrieden. Die meisten kleineren Probleme waren schnell behoben.
Gebr. Gieseler versprachen uns, die Sonnenblenden zu reparieren, sobald sie die komplexen rechtlichen Fragen mit ihrem Glaslieferanten geklärt hatten.
Nach einem frustrierten halben Jahr haben wir wieder unseren Anwalt bemüht, Druck auszuüben. Leider funktionierte das nicht. Sie kamen zwar einige Male und versuchten das Leck im Glasdach zu reparieren, Gebr. Gieseler machten aber keine Anstalten, sich der restlichen Angelegenheiten anzunehmen.
Kapitel 6: Bauchlandung
Im Dezember 2006 sagte uns der Vorarbeiter, sie werden Konkurs anmelden.
Plötzlich wurde uns ihr ungewöhnliches Verhalten klar. Die langen Verzögerungen, plötzlicher Wechsel der Subunternehmer, und nebulöse Entschuldigungen waren ihre Art, ihre Verpflichtungen zu jonglieren, damit sie sich noch so lange wie möglich über Wasser halten konnten.
Kurz danach versuchten die Subunternehmer von uns das Geld für die noch offenen Rechnungen zu bekommen. Soweit ich mitgekriegt hatte, hatten keine ihrer Subunternehmer oder Lieferanten Zahlungen erhalten.
Gebr. Gieseler befanden sich wohl schon in ernsten Schwierigkeiten, als sie uns ein Angebot machten. Der Austausch der Sonnenblenden war wohl eher vertraglicher Natur, als eine Frage des niedrigeren Preises. Wahrscheinlich war St. Gobain gewillt, ohne Vorkasse zu liefern. e
Dies erklärte auch das launische Verhalten der Subunternehmer auf der Baustelle, die zunächst Arbeiter abzogen und letztendlich die Arbeit niederlegten, weil sie nicht ordnungsgemäß bezahlt wurden.
All die Versprechungen hinsichtlich der Reparatur der Sonnenblenden waren vermutlich Hinhaltetaktik, um Konsequenzen so lange wie möglich zu vermeiden.
Die Dokumente, die ich vom Konkursverwalter bekam, belegten, dass eine Lösung ausgehandelt wurde, sie wurde aber nie in die Tat umgesetzt, vermutlich weil Gebr. Gieseler nicht liquide genug waren, sie durchzuführen.
Wenn in Deutschland eine Firma Konkurs anmeldet, ist es sehr schwierig, sie zur Umsetzung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu bewegen. Es gibt aber bestimmte Situationen, wo dies möglich ist.
Kapitel 7: Routinelauf
Der treuhänderische Anwalt, Herr Zorn blieb dabei, dass er St. Gobain verklagen wird, zusammen mit Herrn Müller, dem Insolvenzverwalter. Nachdem der Klage stattgegeben wurde, würden sie dann zusammen mit Gebr. Gieseler Service GmbH die Fassade reparieren, einem Zweig der Gebr. Gieseler, die die Insolvenz überlebt hat.
Wann auch immer ich entweder Herrn Zorn oder Herrn Müller anrief, wiesen sie sich gegenseitig die Schuld für den fehlenden Fortschritt zu. Mehrere Jahre lang versuchte ich, beide Anwälte zum Handeln zu bewegen. Deutsches Konkursgesetz bietet wenig Spielraum, um Druck auf deren Durchführung auszuüben.
Nach vier Jahren hat der Insolvenzverwalter sich endlich einverstanden erklärt, die Rechte an uns zu übertragen, und die Gelder freizugeben, die sich auf dem Anderkonto befinden sollten.
Dies bedeutete, dass wir St. Gobain auf Schadenersatz für die defekten Fenster verklagen konnten, und Herrn Zorn auffordern, uns die noch ausstehenden 35.000 Euros auszuzahlen.
Kapitel 8: Fehlgeschlagener Sieg
Dies war wie ein Sieg, bis wir versuchten, die nächsten Schritte umzusetzen. Unser Anwalt riet uns davon ab, St. Gobain zu verklagen, weil die rechtlichen Forderungen sehr heikel waren und die Chancen eines entscheidenden Sieges eher gering.
Wir versuchten uns mit St. Gobain aussergerichtlich zu einigen, aber sie weigerten sich strikt, sich um die Reparatur ihrer defekten Produkten zu bemühen. Ich fand schockierend, dass in Deutschland eine so große, angesehene Firma nicht willens ist, zu ihrer Garantie zu stehen. Das war aber noch nichts im Vergleich zu dem Schock, der auf mich wartete, als ich versuchte, vom Anderkonto das Geld zu bekommen.
Kapitel 9: Krimineller Anwalt
Ein Anderkonto wird durch einen Anwalt verwaltet. Es muss ein separates Bankkonto zu diesem Zweck eingerichtet werden. Der Anwalt ist beiden involvierten Parteien gegenüber verpflichtet und hat absolut keine rechtliche Handhabe bezüglich der Gelder in diesem Konto. Diese Art von Konten werden eingerichtet, wenn finanzielle Ansprüche nicht ganz klar sind. Es gibt beiden Parteien in Verhandlungen eine Garantie, dass das Geld da ist, und wenn die Dispute dann geklärt sind, geht das Geld an seinen rechtmäßigen Besitzer.
In unserem Fall war das Geld da, sodass Gebr. Gieseler sicher sein konnte, wenn sie die Fassade repariert haben, sie die ihr zustehenden Gelder bekommen. Es war auch dazu da, sicherzustellen, dass sie die Reparaturarbeiten beenden, und sie sehen davon keinen Pfennig, bis nicht alle Fehler in Ordnung gebracht wurden.
Es stellte sich heraus, das innerhalb der fünf Jahre, die seit der Deponierung der Gelder auf dem Anderkonto bei Herrn Zorn, der Insolvenzverwalter diesbezüglich nie einen Kontoauszug von Herrn Zorn erhalten hatte, obwohl er dies mehrmals verlangt.
Als wir verlangten, dass das Geld an uns zurückgezahlt wird, fing Herr Zorn mit Verzögerungstaktiken an, Ausreden, und absurden rechtlichen Argumenten, warum wir kein Recht auf die noch offene Summe hätten.
Die Weigerung, einen Kontoauszug vom Anderkonto auszuhändigen, ist in Deutschland eine strafbare Handlung. Das Geld auf dem Anderkonto für etwas anderes zu verwenden, als ausdrücklich vereinbart, stellt auch eine strafbare Handlung dar.
Ein Anwalt, der hiernach überführt wird, wird aus der Anwaltskammer ausgeschlossen und wird einer Verurteilung nicht entgehen können.
Nachdem wir ihm nahezu sechs Monate lang gedroht hatten, versprach Herr Zorn die Zahlung der noch ausstehenden Summe. Zwei Monate später überwies er schließlich 20.000 Euro auf unser Bankkonto, etwas mehr als die Hälfte von dem, was er uns schuldete, ohne jedoch all die Anwaltskosten, die uns durch sein Verhalten entstanden sind, zu berücksichtigen.
Jetzt, fast ein Jahr nach der ersten Zahlung weigert sich Herr Zorn noch immer, die Restzahlung vorzunehmen. Wir haben bei der Anwaltskammer Beschwerde eingelegt, und gegen ihn Klage eingereicht. Es bleibt abzuwarten, ob wir jemals unser Geld zurückbekommen.
Keiner, dem ich die Geschichte erzählt habe, konnte das so recht glauben. Merkwürdigerweise haben Deutsche Anderkonten keine Versicherung außer dem Wort des Anwalts, der sich darum kümmert. Es gibt da draußen keine Stelle wie die Anwaltskammer oder die Regierung, die einschreitet und die Garantie übernimmt. Es ist sicher nicht das erste Mal, dass so etwas passiert ist.
Die Aktionen eines einzelnen Anwalts haben ernstlich mein Vertrauen in solche Garantien untergraben. Nach unseren Erfahrungen mit den Banken, und der Bürokratie, ist noch ein weiterer Pfeiler der Gesellschaft von unseren Augen abgebröckelt.
Epilog
Eine Geschichte aufzuschreiben kann traumatische Erfahrungen zum Abschluss bringen. Auch wenn unser Gebäude noch die Narben, die ihr durch verabscheuungswürdige und verzweifelte Taten einer Firma zugefügt wurden, birgt, steht das Gebäude allem zum Trotz glanzvoll da.
Die Kampfnarben zeugen von unserem Anstrengungen. Mein Schwager sagt immer: "In einer Bar legt sich niemand mit dem Narbengesicht an".
Mit uns legt sich keiner mehr so schnell an!