Die Refinanzierung einer Sanierung oder eines Neubaus ist schwer. Berlinbesucher können dabei helfen.
Ja, man ist schon drin. Doch die Straße folgt einem klammheimlich durch die Eingangstür und breitet ihr grobes Kopfsteinpflaster zu Füßen der steil aufragenden Betonwände des Treppenhauses aus. Mit schweren Koffern nimmt man besser den Fahrstuhl, ansonsten führt eine schlichte Betontreppe in die Höhe; in ihrer Mitte zieht sich eine Reling aus Maschendraht empor. Eine Rezeption gibt es nicht. Wer in den „Minilofts“ in der Hessischen Straße in Berlin-Mitte absteigt, meldet sich erst mal im Architekturbüro der Eigentümer in der fünften Etage. Britta Jürgens und Matthew Griffin haben das preisgekrönte Gebäude entworfen, gebaut und betreiben es seit 2004 als Apartmenthaus für Berlinbesucher.
„Wir wenden uns an eine sehr spezielle Zielgruppe“, sagt der gebürtige Neuseeländer Matthew Griffin. „Unsere Gäste interessieren sich für Kunst, Kultur und Architektur und mögen den minimalistischen Stil des Hauses.“ Die 14 Apartments liegen teils im sanierten Altbau, teils im Neubau, der sich zur Hessischen Straße hin mit seiner aufsehenerregenden Stahlfassade präsentiert. Im Innern vermitteln weiß getönte, geschliffene Betonböden und hohe Decken Loft-Feeling – nur eben eine Nummer kleiner als in der echten Fabriketage. Mit Lehm verputzte Wände, weiche Teppiche und Elemente aus Walnussholz machen die Räume behaglich. „Wir haben bewusst einen starken Stil gewählt, der sich gleichzeitig sehr zurücknimmt“, sagt Britta Jürgens. „Die Gäste sollen sich hier selbst entfalten können; dafür möchten wir ihnen Raum geben.“
Genau das ist es, was sich immer mehr Urlauber inzwischen auch bei Städtereisen wünschen: mehr Raum, weniger Regeln, eigene Küchenzeile statt Hotelbuffet mit festen Zeiten. Von den „Miniloft“-Betreibern gibt es darüber hinaus noch einen 40-seitigen selbst verfassten „Berlin Guide“ mit Tipps für Restaurants, Geschäfte, Galerien, Museen, Spielplätze – und natürlich Architektur. „Ein Apartment bietet mehr Unabhängigkeit und ist noch dazu günstiger als ein Hotel, wenn man mit mehreren Personen verreist“, sagt auch Kolja Stegemann. Er startete im Januar die Internetplattform Suite 030, die Kurzzeit-Apartments in der Hauptstadt vermittelt. Bisher umfasst das Angebot 24 handverlesene Wohnungen in zentraler Lage, die nach dem Sternesystem des Deutschen Tourismusverbandes klassifiziert sind.
„Wir vermitteln, was uns selbst gefällt“, sagt Stegemann. „Dabei geht es nicht nur um Exklusivität, sondern auch um Stil und Individualität.“ Zusätzlich können Gäste einen Concierge-Service buchen, der – so die vielversprechende Ankündigung im Internet – „auf Wunsch alles möglich macht“. „Wir holen Sie vom Flugplatz ab, machen den Kühlschrank voll, legen Kinderspielzeug bereit und besorgen auch schon mal Tickets für das Konzert, das eigentlich ausverkauft war“, wirbt Geschäftsführer Stegemann. Die Preise liegen derzeit zwischen 150 Euro und 480 Euro pro Nacht, der volle Kühlschrank kostet zum Beispiel um die 30 Euro, ein kleinerer Auftrag rund 5 Euro.
Was Individualtouristen zu schätzen wissen, ist manchen Anwohnern und auch dem Berliner Senat ein Dorn im Auge. Mit einem Gesetz zum „Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ will er gegen die gewerbliche Nutzung von Wohnungen vorgehen und so die Wohnungsnot in der Hauptstadt lindern. Davon könnten auch Feriendomizile wie die „Minilofts“ betroffen sein. Matthew Griffin hat daher zusammen mit weiteren Betreibern von Kurzzeit-Apartments im Juni das Netzwerk Apartment Allianz Berlin gegründet.
„Das geplante Gesetz wird das Problem nicht lösen“, ist Griffin überzeugt. Die Anzahl der Ferienwohnungen – geschätzt sind es zwischen 3000 und 12 000 – stehe in keinem Verhältnis zu dem weit größeren Bedarf an neuem Wohnraum. Der einzige Weg, die Wohnraumknappheit zu bekämpfen, sei es, gute Bedingungen für den Wohnungsbau zu schaffen.
Eigentlich waren Griffin und Jürgens vor rund 14 Jahren nicht mit der Idee angetreten, eines Tages Ferienwohnungen zu vermieten. Den unsanierten Altbau in Sichtweite des Naturkundemuseums kauften sie in erster Linie, um sich dort kreativ auszutoben. Bewusst suchten sie nach einem Grundstück mit bestehender Bebauung, das gleichzeitig Raum für einen Neubau zuließ. Die Kombination aus Alt und Neu reizte die beiden Architekten, die spätere Nutzung war zweitrangig.
„Wohnungen oder Büros – beides wäre infrage gekommen. Doch weder mit Wohnraum- noch mit Gewerbemieten könnten wir das hier finanzieren“, sagt Britta Jürgens heute. So wurde die „Miniloft“-Idee geboren. Für eine Woche im Juli zahlt zum Beispiel eine vierköpfige Familie zwischen 840 und 1140 Euro; pro Nacht sind das rund 120 bis 160 Euro – je nach Apartment-Typ.
Auch Nachhaltigkeit ist in den „Minilofts“ ein Thema. Anstatt einer Klimaanlage gibt es ein Sonnenschutzsystem, um den Energieverbrauch im Sommer zu reduzieren. Der Strom kommt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Ein Grasdach reduziert den Regenwasserablauf und trägt zur Verbesserung des Mikroklimas bei. Eigentlich ist das ja privat – doch wenn sich ein Gast auf die Naturwiese verirrt, darf er trotzdem eine Weile bleiben. Ganz wie zu Hause eben.
Eine Nummer kleiner, Silke Zorn, published in Der Tagesspiegel (Berlin), July 12, 2013