Die Konstruktion unseres Gebädes war eine Feuerprobe. Unsere Peiniger hatten viele Gesichter, und einer der schlimmsten war unsere Bank.
Der Anfang
Als wir Ende 1997 mit der Suche nach dem Grundstück begannen, war Berlin's großer Bauboom bereits auf dem absteigenden Ast. Durch großzügige Steuerbefreiungen, die sich an den Wiederaufbau Ostdeutschlands richteten, mutierte Berlin zu Europas größtem Baugelände. Nach dem Mauerfall bescherte dieser Rausch der Stadt ein Überangebot an neuen Büros, Apartments, Cineplexen.
Unsere Suche nach einem geeigneten Grundstück dauerte eineinhalb Jahre. Während dieser Zeit lagen wir immer knapp daneben, Abschlüsse kamen aus dem einen oder anderen Grund nicht zustande. Bevor wir die drei Banken gefunden hatten, die gewillt waren, unser endgültiges Projekt zu finanzieren, hatten wir bei über fünfzig Banken vorgesprochen.
Die meisten Banken hatten sich die Finger durch Spekulationen während der Jahre des Baubooms verbrannt, manchmal durch ihre eigenen Spekulationen. So hatten wir uns z.B. mit dem Manager bei der W√ºrttemberger Hypo in seinem Büro in einem ansonsten leeren Gebäude von Kleihus am Checkpoint Charlie getroffen. Um den Schlag etwas zu mildern, als sie uns die Finanzierung versagten, erzählte er uns von ihren eigenen Fehlern in Berlin, und wie sie in eines ihrer Pleiteprojekte eingezogen waren, um den Schaden zu mildern. Später wurde eben diese Bank Teil einer von Deutschlands größten Bankversagern.
Zu dieser Zeit hatte die Europäische Zentralbank (EZB) aggressiv die Zinssätze gesengt, und alle Banken wurden von den Medien kritisiert, weil sie sich weigerten, die Einsparungen an die Kunden weiterzuleiten.
Die HypoVereinsbank war eine der wenigen Banken, die die Zinssätze senkten. Wir fanden den Manager, den wir dort trafen, sympatisch. Er kam aus N√ºrnberg, und war gerade aus dem Hauptquartier der Bank nach Berlin übergesiedelt. Auch er mochte uns sofort und das Projekt, und hat uns zügig ein Angebot gemacht, dem wir nicht widerstehen konnten. Als Neuankömmling in Berlin sah er, in welcher Spitzenlage sich unser Grundstück befand. Die meisten Berliner hatten noch einen veralteten Stadtplan von Berlin im Kopf, für die unsere Straße, die nur ein Steinwurf von der Berliner Mauer war, am Ende der Welt lag. Es erstaunte mich, wie stark dieser mentale Stadtplan auch noch 10 Jahre nach dem Mauerfall war.
Die Mitte
Unser Manager war gerade von einem Wochenendworkshop in Frankfurt, Deutschlands Bankzentrum zum Thema Derivative, zurückgekommen. Er überzeugte uns, einen Zinsswap zu kaufen, um sicherzustellen, dass, wenn wir in einem Jahr mit dem Bau beginnen, den gleichen exzellenten Zinssatz bekamen, den wir auch für einen Kredit erhielten, mit dem wir das Grundstück gekauft hatten.
Was er uns allerdings verschwiegen hatte (wir hoffen aus Mangel an Wissen) war, dass der Zinssatz, gegen den wir uns versichert hatten, nicht dem Zinssatz für einen 10-Jahreskredit galt, sondern ein Euriborsatz. Der Euriborsatz liegt immer deutlich unter dem Satz als der Zinsbindung bei einer 10-Jahreshypothek. Wir dachten, wir hätten eine Versicherung gekauft, die uns einen 10-Jahreskredit zu 4.9% garantiert, die Versicherung uns aber lediglich absicherte, falls die Hypothekenzinsen 8% übersteigen würden, sehr viel höher, als die marktübliche Rate von 5,5%.
Der Swap wurde fällig, als wir mitten in den Verhandlungen zur Finanzierung unserer ersten Bauphase waren. Ich war soweit ihn einzulösen, und die Früchte meiner Voraussicht zu ernten, als die Bank mir mit einem Grinsen auf den Lippen mitteilte, dass das Ding wertlos ist.
Glücklicherweise hatte unser Manager uns einige Kalkulationen gegeben, die unsere Interpretation von Sinn und Zwecks des Zinssatzes unterstüzt, die wir gekauft hatten. Nach einer hitzigen Diskussions mit dem Berliner Gebietsleiter haben wir uns mit ihnen arrangiert, allerdings zu Bedingungen, die wir für uns behalten müssen. Allerdings hatten wir einen ziemlichen Verlust zu schlucken.
Danach fing unser Vertrauen in Banken an zu bröckeln. Die beiden Kredite, die wir mit ihnen hatten, wurden mit einer Lebensversicherung abgesichert. Dieses Finanzierungsmodel bedeutet, dass das Kapital von der Hypothek zurückgezahlt wird, wenn die Versicherungspolice reif ist (in unserem Fall in dreißig Jahren). Bis dahin werden die Zinsen auf den gesamten Leihbetrag gezahlt.
Die Kalkulationen, die der Banker uns zeigte, um uns von diesem Model zu überzeugen, basierten auf überzogenen Projektionen bezüglich der Profiterwartungen dieses Fonds. Tatsächlich stützte sich die Wertsteigerung weitgehend auf einer versteckten Klausel, wonach sich die monatlichen Zahlungen um jährlich 5% erhöhen, was zur Folge hat, dass sich die monatlichen Zahlungen bis zum Ende der Police mehr als vervierfachen. Das hat er uns aber verschwiegen.
Ich hatte sogar, bevor wir den zweiten Vertrag unterschrieben hatten, den Versicherungsvertreter ausdrücklich gefragt, ob die Police eine Steigerungsklausel von jährlich 5% beinhaltet. Er versicherte mir, dass das nicht der Fall ist. Er hat uns frech ins Gesicht gelogen.
Der Anfang vom Ende
Als wir 2004 mit dem Neubau gegannen, hatten wir von unserer Bank die Nase voll, aber wir sahen keine Möglichkeit, zu einer besseren Bank zu wechseln.
Trotz der hohen Zinsen verlief die Finanzierung des Neubaus bis einen Monat vor Abschluß problemlos. Wir hatten bemerkt, das unsere Auftragnehmer nicht bezahlt wurden. Nachforschungen ergaben, dass, obwohl unsere Unterlagen noch eine halbe Million von dem ursprünglichen Kredit über 1.13 Millionen Euro auswiesen, die Bank aufgehört hatte, die Rechnungen der Bauherren zu zahlen. Meine langsam immer wütender werdenden Anrufe brachten uns jedenfalls nicht weiter. Jeder, mit dem ich bei der Bank sprach, einschließlich des Gebietsleiter, behauptete, keine Ahnung zu haben, warum das so ist, oder wer für den Zahlungsstopp verantwortlich war.
Letzlich reagierte die Bank auf ein gefaxtes Ultimatum, indem sie uns mitteilte, wir wurden in eine 'Spezialabteilung' transferiert, und dass sie keine Rechnungen mehr bezahlen würden, bis wir nicht noch eine halbe Million an Sicherheiten bereitstellen, wohlwissend, dass wir über diese Sicherheiten nicht verfügten.
Das war ein Riesenschock für uns, und wir dachten, das ist das Ende: Der Bau verlief nach Plan, unter Budget, und voll vermietet. Jegliche Verzögerungen in der Fertigstellung wären in diesem Stadium tödlich.
Dieser Schock erinnerte mich an etwas, dass mir schon vor 10 Monaten komisch vorkam, als wir den Kredit unterschrieben. Der Vertrag wies eine Liste übler Strafen auf, die uns drohten, falls wir unseren Teil der Abmachungen nicht erfüllten. Aber nirgendwo stand, was passiert, wenn die Bank ihren Verpflichtungen uns gegenüber nicht nachkommt! Zu dem Zeitpunkt schien das ungerecht, und ich habe dieses Bauchgefühl einfach ignoriert, und mir selbst versichert, dass die Bank ja wohl nie so tief sinken würde. Ich hätte nicht falscher liegen können!
Ich habe mit verschiedenen Anwälten gesprochen und Managern von anderen Banken, keiner hat geglaubt, dass das passieren würde. Ihr Rat war immer der gleiche: Ihr würdet vor Gericht Recht bekommen, aber bis es soweit ist, seid ihr pleite, also müßt ihr euch arrangieren.
Ich habe verzweifelt versucht, eine andere Bank zu finden, aber keine wollte uns eine verbindliche Zusage machen, zumal es nicht mehr lange dauern würde, bis die Bauträger ihre Sachen einpacken und die Baustelle verlassen würden.
Im Nachhinein fiel uns auf, das unsere Bank, die HypoVereinsbank, in ziemlichen Schwierigkeiten steckte, weil sie ein paar Monate später von einer italienischen Großbank übernommen wurden. Auf höherer Ebene muss jemand beschlossen haben, dass Filialen ihre Konten nach Leuten durchforsten, die sie ausquetschen können.
Grundsätzlich sind Sicherheiten für eine Bank so gut wie Bargeld. Sie stützen die Balancen der Bank ab und je mehr Sicherheiten sie haben, um so mehr Geld können sie leihen. Wenn sie in der Lage wären, eine halbe Million aus uns zu quetschen, könnten sie die sicherlich dazu verwenden, Löcher von mehreren Millionen Euros zu vertuschen. Wenn eine Bank diesen Weg systematisch bei mehreren Kunden verfolgt, sähe die Bank sehr viel attraktiver bei Übernahmeverhandlungen aus.
Ausgeschlossen, dass wir unserer Bank noch die wenigen Sicherheiten, die wir hatten, geben würden. Wir haben uns geeinigt, das sie ihren Einsatz um 175 Tausend reduzieren, aber den verbleibenden Rest von 325 Tausend an Kredit geben. Um über die Runden zu kommen, haben wir einen Kredit bei einer (sehr netten) Bank für 125 Tausend Euro erhalten, mehr brauchten wir sind, da wir 50 Tausend Euros unter dem Budget lagen.
Zum Glück passierte das während des Europa Cups: Ich konnte meine blankliegenden Nerven nur durch das Anschauen der Fußballspiele etwas beruhigen.
Das Ende vom Ende
Vorgespult zur Kreditkrise. Im September 2008, als die Bankenwelt zusammenbrach und brannte, rief mich unser Finanzguru an, um mir zu sagen, dass die HypoVereinsbank unsere Kredite nicht erneuern würde, die im Juni 2009 zur Neuverhandlung anstanden.
Um uns die Sache etwas zu versüssen, meinten sie: wenn wir eine Bank finden, würden sie uns auch aus den anderen Krediten (die in 3 bzw. 5 Jahren auslaufen würden) ohne weitere Kosten entlassen.
Sollten wir keine andere Bank finden, wären sie gesetzlich verpflichtet, unseren Kredit zu erneuern, allerdings nur zu einem variablen Zinssatz, der mit mindestens 7.5% fast doppelt so hoch ist, als das, was wir die ersten 10 Jahre zu einem Festzinssatz auf den Kredit bezahlt hatten.
Wir fingen knapp eine Woche später an, Banken anzurufen, just als Lehman Brothers pleite gingen. Folglich wollte monatelang niemand etwas von uns wissen. Zum Glück fing die Krise an, aufzutauen, und im Frühjahr 2009 hatten wir eine Bank gefunden, die Willens war, uns zu unterstützen.
Wir sind sehr glücklich mit unserem neuen Zuhause bei der Berliner Volksbank.